FIELD’S 3-AKT-MODELL

 

 

Der Name Syd Field ist unter Drehbuchautoren untrennbar mit der 3-Akt-Struktur von Geschichten und Filmen verbunden, die irgendwie nahezu alle diesem Prinzip zu folgen scheinen.

Ich erspare mir hier die Definition, denn sie findet sich im Netz hundertfach und kann dort nachgelesen werden. Ich erspare mir auch auszuführen, wie das Dreiaktmodell funktioniert – das haben viele schon vor mir vorbildlich getan.

Ich möchte vielmehr kurz beleuchten, warum seine Anwendung nach wie vor Sinn macht.

 

Nachdem das Dreiaktmodell vielfach erfolgreich angewandt wurde, brachten Kritiker es in Verruf.

Noch heute lautet der Vorwurf von einigen Filmkritikern und - ja - auch Autoren, Field’s Dreiaktmodell führe zu einer Uniformierung von Geschichten.

Dieser Vorwurf stützt sich auf eine Logik dieser Güte: Alle Häuser, die nach der Maßeinheit Meter gebaut werden, sind das Opfer von Uniformierung.

 

Es wird oft übersehen oder fahrlässigerweise vernachlässigt, dass der bekannte amerikanische Diktator Syd Field nicht eines morgens aufgestanden ist und gesagt hat: Ab jetzt müssen alle Drehbücher nach meinem 3-Akt-Schema geschrieben werden, woraufhin die Nationalgarde ausrückte und alle Autoren mit vorgehaltenen Waffen an ihre Schreibtische gekettet hat - und wer sich nicht des 3-Akt-Schemas bediente, dem wurden die Finger gebrochen.

 

Es war so rum: Syd Field hat untersucht, welche erzählerischen Gemeinsamkeiten erfolgreiche amerikanische Kinofilme aufwiesen und stellte fest, dass sie nach dem Dreiaktmodell funktionierten.

Ihm entging dabei auch nicht, dass Aristoteles (auch so ein Erzähldiktator) rund 23 Jahrhunderte vorher in seiner Poetik den Dramatikern 5 Akte an die Hand gegeben hatte.

War Syd Field hier auf so etwas wie eine universelle Erzählstruktur gestoßen?

 

Das weiß ich nicht. Aber er ist auf eine gestoßen, die funktionierte und das immer noch tut.

Field hat diese Struktur gepredigt, keine Frage – aber niemand hätte ihr folgen müssen.

 

Ganz entscheidend in dieser kurzen Betrachtung über Sinn oder Unsinn des Dreiaktmodells ist der Umstand, dass es sich dabei nicht um ein narratives Dogma handelt, sondern schlicht um dramaturgisches Handwerkszeug.

 

Diejenigen Kritiker, die dem Dreiaktmodell die Uniformierung von Geschichten vorwerfen, entmündigen im gleichen Atemzug mit diesem Vorwurf den Autoren – als sei dieser dem Modell hilflos ausgeliefert und müsse es wider besseren Wissens ausführen.

Ganz im Gegenteil ist jeder Autor der Herr seiner Geschichte und kann das Dreiaktmodell anwenden, missachten oder durch den Reißwolf jagen. Ganz so, wie es für seine Geschichte am besten ist.

 

Es gab mal eine SAT.1-Redakteurin, die nach drei Jahren auf ihrer Position, in denen sie Drehbücher abgelehnt oder zur Verfilmung freigegeben hatte, für viel Geld ein Wochenendseminar in Dramaturgie belegte. Der Anbieter dieses Wochenendkurses, der ganz viel über Drehbücher zu erzählen wusste, hatte dieses Wissen und all die Kniffe aber selbst noch nie angewandt (das ruft Skepsis hervor, und das ist auch gut so, aber vereinzelt gibt es sie wirklich: Großartige Drehbuchgurus, die besser analysieren und erläutern als ihr Wissen anwenden können).

Dieses Mal war die Skepsis aber berechtigt, denn nach Schulungen am Samstag und Sonntag erzählte sie mir am Montag mit leuchtenden Augen, dass sie nun einiges mehr über Geschichten wüsste – nämlich, dass sie einen Anfang, ein Ende und einen Mittelteil haben.

 

Nun, was passiert Stoffen, wenn man diese Erkenntnis auf sie anwendet? Richtig: Nichts.

Und nicht alle Geschichten mit einem Anfang, Mittelteil und Ende ähneln sich. Außer natürlich, dass sie einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende haben.

 

Field’s „Lineal“, so nenne ich das Dreiaktmodell jetzt mal, ist dazu da, um es an Stoffe und Figuren anzulegen. Seine Struktur erfolgreicher Kinostreifen gibt einem Autoren, der ein Drehbuch entwickelt, Anhaltspunkte und Orientierung, was den eigenen Stoff betrifft.

 

Fiktives Beispiel: Danny Rubin sitzt an Und täglich grüßt das Murmeltier. 90 Seiten lang beschreibt er, wie Phil seine Kollegen Larry und Rita und ganz Punxsutawney (ich geb’s zu, das musste ich jetzt nachschlagen) mit zynischen Sprüchen eindeckt. 90 Seiten lang. Dann kommt Phil für die restlichen 30 Seiten in eine Zeitschleife, nutzt sie erst zu seinem Vorteil aus, erkennt dann den Fluch darin, will sich umbringen, was die Zeitschleife aber nicht zulässt, hat ein einschneidendes Erlebnis (den Obdachlosen, den er nicht retten kann) und wendet seine Möglichkeit der Vorabinformation zum Wohle aller ein und wird schließlich für diese Wandlung und Läuterung mit Anerkennung und Liebe und schließlich mit dem Ende der Zeitschleife belohnt.

Wow, irre, was Rubin alles in die letzten 30 Seiten packt. 

 

Wenn man Field’s „Lineal“ anlegt, wird man bemerken, dass zwischen der Länge des ersten Aktes (90 Minuten) und denen des 2. und 3. Aktes (zusammen 30 Minuten) ein auffälliges Missverhältnis herrscht.

Man wird, wenn man den ersten Akt auf die Fieldsche Länge beschränkt, unweigerlich den 1. Wendepunkt (= Eintritt in die Zeitschleife) bereits etwa in Minute 30 stattfinden lassen müssen, statt nach 90 Minuten.

Das sorgt in der Folge dafür, dass die Geschichte nicht erst nach 90 Minuten in Gang kommt, sondern bereits nach 30. Es generiert außerdem genügend Raum, um die Stationen, die Phil durchläuft, genauer zu beleuchten und zu vertiefen.

 

Diese Orientierung in der Struktur, die das Dreiaktmodell bietet, würde eine Menge erzählerische, strukturelle und figurenspezifische Folgen einleiten, die zu einer noch größeren Menge Arbeit führten, weswegen es sinnvoll ist - wenn man dieses Hilfsmittel nutzt - es bereits in der Planungs- bzw. Exposéphase anzuwenden.

Und weswegen ich sie nicht alle aufzähle, denn das würde in einer kompletten Fallstudie münden.

Nun könnte Rubin sagen: „Ich mag es aber, wenn meine Figuren 90 Minuten lang auf der Stelle stehen, ich habe mir zum Ziel gemacht, 90 Minuten lang redundante Szenen aneinanderzureihen. Das Script wird ein Knaller.“

 

Zum Glück hat Rubin das nicht getan. Ich habe keine Ahnung, ob er sich Field’s Hilfsmittel bedient hat oder nicht – aber sein Drehbuch entspricht bezüglich Struktur, Wendepunkten und Figurenentwicklung exakt diesem Modell.

 

Deswegen: Einem Drehbuch mit Defiziten kann das Dreiaktmodell eventuell auf die Sprünge helfen. Aber ein vorzügliches Script wird es niemals beschädigen können. Daher gehört es in jeden dramaturgischen Handwerkskasten.